Es brennt nicht erst seit ein paar Tagen: Stellungnahme zum Feuer im Dresdner Industriegelände

Am 24. Juni kam es zu einem Großbrand in einem Gebäude im Dresdner Industriegelände, in welchem neben dem Electro-Club „Sektor Evolution“ auch ca. 80 Bandproberäume angesiedelt sind. Zwar wurden die Räume von Feuer und Löschwasser offenbar soweit verschont, dass sie vermutlich wieder in Nutzung gebracht werden können, dennoch weisen die aufgewühlten Reaktionen auf ein Problem hin, das sich schon seit Jahren abzeichnet: Es verschwinden nach und nach die Räumlichkeiten, die der Dresdner Musikszene zur Verfügung stehen. Als prominenteste Vorgänger wären hier die Schließung der großen Musikerhäuser an der Gasanstaltstraße, der Könneritzstraße und an der Wetterwarte zu nennen. Weiterhin der Wegfall des Lößnitz-Areals und die Verdrängung der Clubs Sabotage oder Stilbruch aus der Dresdner Neustadt.

Die hiesige Musikszene – das muss in dieser Deutlichkeit gesagt werden – ist ein Aushängeschild für die Stadt, aber auch für ganz Sachsen. Die enormen nationalen und internationalen Erfolge von Bands und Musiker:innen wie Die Prinzen, Silbermond, Polarkreis18, Kraftklub, Woods of Birnham, Ätna oder Purple Disco Machine waren und sind ein ohrenfälliges Zeichen, dass Sachsen mehr zu bieten hat als Pegida-Aufmärsche und AfD-Erfolge. Doch dieser Erfolg kommt nicht von ungefähr. Er fußt auf der Existenz einer breiten und vielseitigen Musikszene, die jenseits der großen deutschen Musikzentren Berlin und Hamburg zweifellos ihresgleichen sucht. Dieser Szene wurde durch die Entwicklung der letzten Jahre ihre Infrastruktur zunehmend entzogen, was viele Musikschaffende dazu zwingt, aufzugeben oder abzuwandern.

Darüber hinaus gilt es sich bewusst zu machen, wie wichtig eine funktionierende Musikszene im sich abzeichnenden Wettbewerb der Städte um die Arbeitnehmer:innen von morgen ist. Angesichts einer Vielzahl von offenen Stellen im gesamten Bundesgebiet wird sich die Entscheidung, wo Menschen leben und arbeiten wollen, zunehmend an den sogenannten „weichen Standortfaktoren“ orientieren. Ein attraktives Nachtleben mit Clubs und Kulturangeboten gehört hier genauso zu den ausschlaggebenden Kriterien wie das Vorhandensein von Räumlichkeiten, in denen man sich musikalisch betätigen kann. Rein statistisch spielt fast jede:r sechste Dresdner:in mindestens ein Musikinstrument – das sind knapp 100.000 Menschen. Doch Räume, in denen man dieser Tätigkeit nachgehen kann, sind hier praktisch nicht mehr zu finden.

Unabhängig von den dramatischen Ereignissen Ende Juni haben Wir gestalten Dresden und KREATIVES SACHSEN in den letzten Monaten einen Lösungsvorschlag erarbeitet, der zur Entspannung der Situation beitragen könnte. In einer Vorstudie wurde ein Clusterkonzept entwickelt, das viele Akteur:innen der Musikszene und Musikwirtschaft an einem Ort zusammenführen soll – ähnlich wie es im Bereich der Hochtechnologie und interdisziplinären Gründungszentren gehandhabt wird.
Durch diesen Ansatz wäre es nicht nur möglich, weitere Fördermittel für das Projekt zu akquirieren (GrW-Förderung, EFRE-Mittel), sondern auch in größerem Stile Room-Sharing-Modelle anzuwenden, wie sie von verschiedenen Dresdner Akteuren bereits praktiziert werden. Diese Ansätze würden es nicht nur erlauben, die Raumansprüche vieler Musikschaffender mit vergleichsweise wenig Infrastruktur zu bedienen, sondern würden auch den Möglichkeitsraum für Kooperationen und crossektorale Effekte entschieden erweitern. Insofern wäre ein solches Projekt zweifellos auch ein Aushängeschild für den Standort Dresden.

Es ist vor diesem Hintergrund aus unserer Sicht dringend in Erwägung zu ziehen, die ehemaligen Gebäude der alten Staatsoperette und/oder Theater Junge Generation einer neuen Nutzung zuzuführen. Diese kommunalen Immobilien wurden vor Jahren aus dem Verkehr gezogen und ohne Nachnutzungskonzept dem Verfall und Vandalismus preisgegeben. Die LHD hätte hier Handlungsspielraum, hat es aber bisher versäumt, diesen zu nutzen.
Diese Studie und als konstruktive Grundlage für eine Diskussion dienen, die nun dringend zur politischen Chefsache gemacht werden muss.