Kristin Eubling im Interview
Kristin Eubling, filmbegeisterte Kulturwirtin und Mitglied des Aufsichtsrats bei Wir gestalten Dresden erzählt uns im Interview von aktuellen Projekten, Sexismus in der Filmbranche, die Klubtreffen der Dresdner Filmwirtschaft und ihren ganz persönlichen Traum.
Kristin, du bist Kulturwirtin, wie bist du zum Film gekommen?
Das war Zufall! Nach dem Studium bin durch eine Freundin dazu gekommen, an einem Filmfestival mitzuwirken. Dieses habe ich dann dreieinhalb Jahre lang geleitet und bin schließlich in der Branche geblieben. Es geht mir aber nicht nur um Film, sondern auch um Politik, gesellschaftliche Veränderungen und Mitgestaltung, was letzten Endes auch den Weg zu Wir gestalten Dresden geebnet hat.
Du bist jetzt schon eine Weile in der Filmbranche tätig. Gab es grundlegende Veränderungen in den letzten Jahren?
Ich bin vor allem im Dokumentarfilmbereich tätig. Das ist für mich nicht nur wegen der Themen interessant, sondern auch weil ich den Dokumentarfilm in den letzten Jahren als sehr lebendig erlebt habe. Der Dokumentarfilm kommt – historisch gesehen – aus einer muffigen, langweiligen Ecke für ein Nischenpublikum, aber heutzutage laufen Dokumentarfilme im Kino. Seit ein paar Jahren erleben Crossmedia-Projekte und Virtual Reality-Geschichten einen großen Zuspruch. Das ist etwas ganz Spannendes. Wenn du eine 3D-Brille aufsetzt und dann noch ein gesellschaftlich relevantes Problem thematisierst, hat das ein unglaubliches Potential in alle möglichen Richtungen. Man kann sich diesen Eindrücken aus vielerlei Gründen nicht entziehen.
Gibt es Dinge, an denen FilmemacherInnen immer wieder scheitern?
Oh ja, viele! Es gibt kaum Geldgeber für neue Formate wie z.B. Virtual Reality. Man muss sich dieses Geld irgendwie zusammensammeln. Viele Leute, die mit solchen Projekten unterwegs sind, machen deshalb Crowdfunding und viel in Eigenleistung. In der Filmbranche sieht man dieses Problem besonders daran, dass es seit vielen Jahren ganz wenige deutsche Filme in Wettbewerben gibt. Dieses Jahr gab es bei der Berlinale einen deutschen Film im Wettbewerb, 24 Wochen von Anne Zohra Berrached aus Erfurt. Das ist grandios, aber eben der einzige deutsche Wettbwerbsbeitrag.
Ist die Filmbranche eine Männerdomäne?
Als Frau bist du klar im Nachteil. Je größer die erforderlichen Gelder, umso geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass Frauen, d.h. Produzentinnen, Filmemacherinnen und/oder Regisseurinnen den Film gefördert bekommen. Die großen Budgets gehen zu einer fiesen Mehrheit an Männer.
Woran liegt das?
Es wird Frauen nicht zugetraut, dass sie große Budgets verwalten können. Man(n) hat Angst um die Qualität. Dass die Filmindustrie sexistisch ist, ist bekannt. Diejenigen, die bei den Förderern sitzen, diejenigen, die Budgets verwalten, alle wissen es. Faktisch gehen nur etwa 20% der mittleren bis hohen Budgets an Frauen, obwohl fast 50% der Absolventen von Filmhochschulen im Bereich „Regie“ Frauen sind. Die Filmindustrie ist insgesamt sehr männerlastig und für Frauen kein leichtes Feld. Das ist auch beim Dokumentarfilm ähnlich. Im Bereich der Organisation und Verwaltung gibt es viele Frauen (also Filmfestivals u.ä.), aber in den kreativen Prozessen sind es meistens Männer, die den Ton angeben. Insbesondere in der deutschen Filmindustrie ist das ein ganz großes Thema, siehe etwa Isabell Šubas Film Männer zeigen Filme und Frauen ihre Brüste.
Wenn du Dresden im bundesweiten Vergleich betrachtest, wie aktiv ist Dresden/Sachsen im Bereich Film?
Dresden ist kein Filmland. Die Hochburgen sind Berlin-Potsdam, München und Köln. In diesen Städten/Regionen gibt es aufgrund der renommierten Filmhochschulen auch ein Konglomerat an Nachwuchs, der sich vernetzt und oft auch nach dem Studium vor Ort bleibt. Spontan fällt mir niemand ein, der wirklich wegen des Business nach Dresden gekommen ist. In Mitteldeutschland schneidet Sachsen (im Vergleich zu Sachsen-Anhalt und Thüringen) aber mit weitem Vorsprung am besten ab, wenn es um Ausbildung und Arbeit in der Filmbranche geht.
Ich persönlich finde es allerdings auch nicht unbedingt nötig, aus Dresden ein neues Babelsberg zu machen. Es ist ok so. Wichtiger erscheint mir eher, sich Nischenthemen zu suchen. Und da denke ich zum Beispiel wieder an neue Formate wie Virtual Reality – was lässt sich daraus machen?
Du hast das Ziel, die Filmstadt Dresden in ihrer ganzen Vielfalt erlebbar zu machen. Ein Projekt, mit dem du dieses Ziel anpackst, sind die Klubtreffen der Dresdner Filmwirtschaft.
Ich bin 2014 Aufsichtsrat bei Wir gestalten Dresden geworden und wollte die Branche erst einmal kennenlernen. Also habe ich zu einem Branchenhearing aufgerufen, bei dem der Bedarf nach regelmäßigen Treffen deutlich wurde. Die Resonanz auf das erste Klubtreffen war sehr beeindruckend. Ich hätte nicht erwartet, dass – und sogar noch nach mehr als einem Jahr! – so viele neue Leute kommen. Mittlerweile sind die Treffen fester monatlicher Bestandteil. Wir kommen meist am ersten Donnerstag des Monats zusammen und besprechen das, was die Filmschaffenden der Stadt bewegt, unterschiedliche Themen und Formate. Schon nach den ersten beiden Treffen haben sich die Leute zusammengeschlossen und Projekte miteinander entwickelt. So entstehen Netzwerke. Ich denke, dass viele nur darauf gewartet haben, dass so etwas endlich passiert.
Welche Projekte wirst du in Zukunft angehen?
Derzeit plane ich gemeinsam mit dem Filmverband Sachsen das Projekt My Story – Filmworkshop und Kino Kabaret, welches in Dresden (Ende August 2016) und in Leipzig (Ende September 2016) je 7 Tage stattfinden wird. An die viertägigen Sommer-Workshops mit Filmschaffenden schließt sich das Format Kino Kabaret an, welche durch unsere Partner Kino Gino in Dresden und Kino Datsche in Leipzig unterstützt wird. Ziel ist es, einheimische Filmschaffende mit filminteressierten Geflüchteten und Asylsuchenden zu vernetzen, erste kurze Filme entstehen zu lassen und gemeinsame Folgeprojekte anzuregen. Ein ganz persönlicher Traum von mir ist es hingegen, einmal einen längeren Film zu machen, vielleicht eine Virtual Reality-Produktion mit sozio-politischem Inhalt.