Gemeinsames Positionspapier zur Gestaltung des EFRE-Strukturfonds ab 2014: Eine Aufforderung an die Staatsregierung

Unter Anderem im Kulturwirtschaftsbericht des Freistaates Sachsen und in Stellungnahmen der Landesregierung (vgl. Drucksache 5/8771) wird die volkswirtschaftliche Bedeutung der Kreativwirtschaft auch in Sachsen auf Landesebene herausgestellt. Dabei stehen hier aktuell insbesondere die  enorm hohe Innovationsbereitschaft und Bedeutung für den Arbeitsmarkt im Fokus der politischen Betrachtung. Nachweislich übt die Kreativwirtschaft in wachsendem Maße daneben jedoch nicht zuletzt die Funktion eines potenten Innovationstreibers für die Gesamtwirtschaft aus.
Wir fordern die Sächsische Staatsregierung auf, in der anstehenden Programmierung der Europäischen Strukturfonds für Sachsen (Förderperiode 2014-2020) eine gezielte Förderung der Nachfrage nach kreativwirtschaftlichen Leistungen vorzusehen, um damit sowohl die Entfaltungskraft der sächsischen Kreativwirtschaft, als auch die Innovations- und Zukunftsfähigkeit der sächsischen Gesamtwirtschaft nachhaltig zu unterstützen.
 

Hintergrund

Die vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) in Auftrag gegebene Studie "Die Kultur- und Kreativwirtschaft in der gesamtwirtschaftlichen Wertschöpfungskette" (Prognos AG / Fraunhofer Institut für System- und Innovationsforschung, 12/2012) erörtert Elemente und Besonderheiten der Kultur- und Kreativwirtschaft (KKW) insbesondere im Hinblick auf ihre Effekte für die Gesamtwirtschaft. Die Studie stellt in ihren Ergebnissen heraus, dass

  • die KKW von offenen Innovationsprozessen und kurzen Innovationszyklen geprägt ist, wobei über 86 Prozent der Befragten Unternehmen in den letzten drei Jahren Marktneuheiten entwickelt haben,
  • den Akteuren der KKW als (Ver-)Mittlern zwischen Branchen, zwischen Nutzern und Produzenten, wie auch zwischen Technologien und Arbeitsmethoden eine außerordentliche Funktion zukommt,
  • die KKW einen wesentlichen Beitrag zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit einer Gesamtwirtschaft leistet, indem sie Unternehmen in der Anfangsphase von Innovationsprozessen unterstützt und damit zur Ideenfindung und Konzeption neuer Produkte beiträgt, und
  • insbesondere durch die Teilmärkte Werbung, Design und Film die Konkurrenzfähigkeit von Produkten und Dienstleistungen der Gesamtwirtschaft massiv unterstützt wird.

Im Ergebnis hält die Studie fest, dass Produktionsprozesse wie Arbeitsergebnisse der KKW die Wettbewerbsfähigkeit von Regionen nachhaltig fördern (vgl. BMWi-Studie, 2012, S. 3-5)
Bekannt ist, dass die KKW klassischen Industrieunternehmen und Produzenten wertvolle Arbeitsgrundlagen insbesondere auf dem Gebiet der Wissensgenerierung, -prozessierung und -kommerzialisierung zur Verfügung stellt (Schumpeter, Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung, 1997, i.V.m. BMWi-Studie, Endbericht, 2012, S. 17) und jene zugrundeliegenden Mechanismen im Zuge der strukturell-ökonomischen Gesamtentwicklung absehbar weiter an Relevanz gewinnen werden. Eine Förderung der KKW ist demnach insbesondere im Zusammenhang mit der Findung, Entwicklung und Vermarktung von Innovationen sinnvoll, will man die Gesamtwirtschaft einer Region stärken. Im Rahmen der gegenwärtigen Förderstrukturen wird eine entsprechende Unterstützung der Gesamtwirtschaft jedoch nur unzureichend bedient. Daher fordern wir zu einer Anpassung der gegebenen sächsischen Förderprogramme auf.
Beispiele anderer europäischer Regionen zeigen, dass die Innovationsfähigkeit der gewerblichen Wirtschaft durch die Integration kreativwirtschaftlicher Dienstleistungen nachhaltig gestärkt wird. Als Beispiel mit Vorbildwirkung betrachten wir in diesem Zusammenhang unter anderem folgende realisierte Programme:

  • Im Rahmen der Einzelbetrieblichen Förderung wurde in Manchester (UK) die Verankerung von Creative Credits erfolgreich erprobt. Hier wurden klassische KMU unterstützt, die in Kooperation mit Unternehmen der KKW getreten sind. Die Wahrscheinlichkeit, dass die geförderten Unternehmen neue Produkte oder Dienstleistungen auf den Markt gebracht haben, lag um 25% über jener in vergleichbaren Unternehmungen. Ähnlich gelagert werden aktuell in Sachsen-Anhalt im Rahmen des Wettbewerbs BESTFORM 2013 Partnerschaften zwischen Industrie und Kreativwirtschaft gezielt unterstützt.
  • Ein ähnliches Konzept existiert in Berlin: Hier werden anhand des Programms Design-Transfer-Bonus KMU gezielt animiert, in der Produktentwicklung mit professionellen Designern zusammenzuarbeiten. Dadurch können neue Wertschöpfungszusammenhänge hergestellt und ausgebaut werden.

 

Aufforderung an die Sächsische Staatsregierung

Die sächsischen Branchenverbände für Kreativwirtschaft fordern die Sächsische Staatsregierung auf, in der anstehenden Programmierung der Europäischen Strukturfonds für Sachsen (Förderperiode 2014-2020) insbesondere die Förderung der Nachfrage nach kreativwirtschaftlichen Leistungen vorzusehen.
Für den Wirtschaftsraum Sachsen und die Wettbewerbsfähigkeit der ansässigen Unternehmen ist eine nachhaltige Strategie zur Stärkung der Innovationsfähigkeit unerlässlich. Wir möchten dazu anregen, nachfolgende Ansätze in der Strukturförderung zu verankern, indem die als Grundlage aufgeführten, bestehenden Programme entsprechend hier ausgeführter Stoßrichtungen angepasst werden. Dabei sollten die Programme in jedem Fall dergestalt flexibilisiert werden, dass wirtschaftlich tätige Akteure der Kreativwirtschaft unabhängig von ihrer Rechtsform profitieren.

Maßnahmenfeld 1: Markteinführung innovativer Produkte und Produktdesign / Innovationsförderung

Das aktuell bestehende Programm im Rahmen der Mittelstandsrichtlinie kann bereits als weitgehend vorbildlich gelten, da es den Bezug und damit die Nachfrage nach kreativwirtschaftlichen Leistungen in Prozessen der Produktentwicklung und Marketing fördert. Allerdings wird die Umsetzung von Marketingkonzeptionen aktuell nur dann gefördert, wenn sie in Eigenleistung und nicht durch ein beauftragtes Unternehmen realisiert wird. Diese Einschränkung ist hinsichtlich des Ziels einer Stärkung der sächsischen Kreativwirtschaft nicht sinnvoll und muss in der neuen Förderperiode modifiziert werden. Damit das Programm seine volle Wirkung entfalten kann, müssen sowohl mögliche Fördermittelempfänger als auch indirekt Begünstigte (d. h. Subauftragnehmer aus der Kreativwirtschaft) zudem besser mit den Möglichkeiten vertraut gemacht werden. Gern leisten die Branchenverbände hier in Zusammenarbeit mit der Sächsischen Aufbaubank (SAB) einen entsprechenden Beitrag.

Maßnahmenfeld 2: Innovationsassistenz

Das Programm zur Förderung der Beschäftigung von Innovationsassistenten/-innen und von hochqualifiziertem Personal kann mit seiner derzeitigen Ausrichtung von den Unternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft nur unzureichend in Anspruch genommen werden, da dem eingenommenen Technologie-Fokus in der Regel allüberwiegend nur Software-Unternehmen gerecht werden.
Die beabsichtigte Initiierung und Etablierung von Innovationsprozessen in KMU zur Stärkung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit wird hier an die einseitige, unzeitgemäße Interpretation des Innovationsbegriffs gekoppelt, da die Bearbeitung technologieorientierter Projekte Fördervoraussetzung ist. Dabei wird vernachlässigt, dass die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen zunehmend auch durch die Entwicklung und Umsetzung innovativer Prozesse und Methoden gesteigert wird. Hier sollte dringend eine erweiterte Definition des Innovationsbegriffes integriert werden, wie sie der Freistaat beispielsweise für den Sächsischen Innovationspreis verwendet.
Das Programm unterstützt daneben auch die Beschäftigung von Designern und Marketingspezialisten mit Universitätsabschluss – jedoch nur, wenn diese zuvor geforscht haben und wenigstens fünf Jahre einschlägige Berufserfahrung nachweisen können. Hier sollte zwingend darüber nachgedacht werden, das Programm für die Einstellung von Absolventen im Bereich Design und Marketing zu öffnen – sind es doch gerade die eingesessenen sächsischen KMU, die (über alle Branchen hinweg) Defizite im Herausstellen der eigenen Leistungsfähigkeit aufweisen. Spezifisch Marketing-Verantwortliche oder gar -abteilungen trifft man auch bei innovationsfreudigen kleinen und mittleren Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft in Sachsen nach wie vor zu selten an. Hier bleiben wertvolle Chancen zur Erhöhung der (überregionalen) Bekanntheit und Marktdurchdringung und damit zur Verbesserung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ungenutzt.

Maßnahmenfeld 3: Messe, Außenwirtschaft – Erhaltung und Erschließung neuer Märkte

Die Teilnahme an Messen im Rahmen des Programms zur Förderung der Messe/Außenwirtschaft beinhaltet im Bereich der KKW auch die Darbietung performativer Elemente (Tänzer, Musiker, etc.). In diesem Sinne sind oftmals Kooperationen mit anderen Gewerken und Branchen üblich. Die Teilnahme an wissenschaftlichen Konferenzen und Produktpräsentationen setzt die Übernahme von Fahrtkosten voraus, die im Programm leider nur im Transport von Ausstellungsgütern Niederschlag finden. Der dritte Teil des Programms (Machbarkeitsstudien) setzt vermutlich einen bereits etablierten Heimatmarkt voraus. Die Rahmenbedingungen der Förderrichtlinie sollten an konkreten Beispielen besprochen werden, um den Akteuren der KKW die Potentiale und Chancen für eine Förderung  aufzuzeigen.
 
Dresden, Leipzig und Chemnitz im Juni 2013
 
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